Inhaltsangaben:
1. Im Strom der Zeit
2. Tränenleer
3. Nur was du gabst
1. Im Strom der Zeit
Ob arm, ob reich, wer es auch ist,
für jeden Mensch gilt eine Frist.
Denn irgendwann geht's nicht mehr weiter.
Du stehst ganz oben auf der Leiter,
der letzten Sprosse deines Lebens,
suchst eine weitere vergebens,
und schaust auf diese Welt zurück
mit einem kurzen, letzten Blick.
Da ziehn vorbei nur in Sekunden
die vielen Jahre, Tage, Stunden,
vom dir gelieh'nen Erdenleben.
Das hast du jetzt zurückzugeben,
von allem Irdischen entblößt,
allein die Seele wird erlöst,
gleichsam einer Transformation
in eine höhere Dimension.
So wie im Kosmos nichts vergeht,
nur Wandel in der Form besteht,
sind wir im Tod auch nicht verloren.
Ein Teil von uns wird neu geboren:
Das geist'ge Wesen sich erhebt
ins unbekannte Sein und strebt
dem Tropfen gleich im Strom der Zeit,
wieder zum Meer der Ewigkeit.
Und dann?
Wer wagt hierzu etwas zu sagen,
zu dieser Frage aller Fragen.
Was könnte jenseitig geschehen?
Ich will es bildlich so verstehen:
Gleiches wird sich zu Gleichem finden,
der "Schmutz" in "dunkle Tiefen" sinken.
Das Reine, Gute strebt zum "Licht".
Zum Schöpfer hin? Ich weiß es nicht!
A.K. Karfreitag, 15.4.22
2. Tränenleer
Dies ist auch ein Gesicht des Krieges
Es lag in einem Lazarett
ein Kriegssoldat im Krankenbett.
Mit Blut befleckt war der Verband,
der sich um seinen Kopf befand.
Die Augen waren ihm verbunden.
Er hatte viele schwere Wunden
von teuflisch-splitternden Geschossen.
Die Hölle selbst hat sie vergossen.
Allein den Schmerz erträgt man schwer,
doch quälte ihn die Frage mehr:
"Ich sehe keinen Schimmer Licht,
ist's Tag, ist's Nacht, ich weiß es nicht."
So fing er betend an zu flehn:
"Lass mich die Sonne wieder sehn,
erhalte, Herr, mein Augenlicht,
aus tiefsten Herzen bitt ich dich."
Die Dunkelheit, die ihn umgab,
bleischwer auf seiner Seele lag.
Doch irgendwo, tief drin im Innern,
schien noch ein schwaches
Licht zu schimmern,
das heller ward, dann sah er klar,
die Bilder von daheim, wie's war:
Sein sorgenfreies junges Leben,
stets von den Liebsten treu umgeben.
Sein Hoffen galt dem Augenblick,
der Heimkehr aus dem Feld zurück,
zu Vater, Mutter, den Geschwistern,
er ahnt das Glück in den Gesichtern,
leuchtende Augen, frohes Lachen,
und Freunde, die so froh ihn machen.
Wär es doch endlich bald so weit,
für ihn ein Stück Glückseligkeit.
Durch die Erinnerung erhellt
sah er den Zauber dieser Welt,
die Größe unserer Natur,
Berge und Meere, Wald und Flur.
Die Schöpfung, einzigartig schön,
Tiere und Pflanzen, Flüsse, Seen,
den Kosmos, Galaxien und Sterne,
bis in unendlich weiter Ferne.
Und machtvoll wuchs in ihm das Sehnen
bewusst die Schönheit wahrzunehmen,
um mit den Augen, seinen Sinnen,
sich dieser Wunder zu besinnen.
Oft hat er vieles nicht beachtet,
nur oberflächlich, kaum betrachtet.
Jetzt um so mehr stieg das Verlangen,
zu sehen, was ihm schon entgangen.
Am Morgen, früh, vom Licht entfacht,
strahlte der Herbst in voller Pracht.
Die Luft war rein, der Himmel klar,
er fühlte es, wie's draußen war.
Gleich wird die "Nacht" ein Ende finden,
nimmt man ihm ab Verband und Binden,
dann kehrt ins Leben er zurück:
Sein schönster Tag, sein größtes Glück.
Sein größtes Glück? Ein Freudentag?
Ganz schrecklich dieser Schicksalsschlag!
Ein Arzt, der eben von ihm kam,
die Schwester still beiseite nahm.
Doch da versagte ihm die Stimme.
Sie sah zum Bett, hielt weinend inne,
Tränen bedeckten ihr Gesicht.
Der Landser, weinen konnt' er nicht.
Er hatte keine Augen mehr,
und sein Gesicht blieb tränenleer.
Dieses Gedicht ist in Erinnerung an einen
mir bekannten Kriegsversehrten entstanden,
der nicht nur beide Augen, sondern auch
beide Arme verloren hatte.
3. Nur was du gabst
(Eine Allegorie in Reimen)
Nichts gab er, nicht die kleinste Spende.
Jetzt stand er vor dem Lebensende.
Sein ganzes Geld, das war sein Streben,
sollte man in die Gruft ihm legen,
vielleicht, so hat er festgestellt,
braucht man im Jenseits ja das Geld.
Die Söhne, wenn auch sehr verdrießlich,
holten die großen Scheine schließlich.
Sodann verschied der reiche Mann
und kam im Himmel fälschlich an,
trat ein, und das fand er perfekt:
Für Gäste war hier reich gedeckt.
Die große Tafel, schwer beladen,
bot alles für den leeren Magen.
Rasch wählte er für seinen Hunger
den leckersten und feinsten Hummer,
mit echten Trüffeln, Kaviar,
und Wein, der richtig feurig war.
Indes bemerkte er verwundert,
der Preis in Euro, keine hundert,
nein, alles, was ein Gourmet kennt,
kostete hier nur einen Cent.
Sehr billig, dachte er deswegen,
das kommt mir wahrlich sehr entgegen.
Da kam ein Engel mit der Frage:
"Hast du denn Geld für alle Tage?"
Und lächelnd gab der Mann sogleich
'nen Hunderter, er war ja reich.
Doch wies der Engel ihn zurück:
"Der Preis hier ist ein Cent pro Stück."
Der reiche Mann, gequält vom Hunger,
gab ihn zurück, den feinen Hummer.
Dann, nachts, die Söhne schliefen tief,
im Traum er sie um Hilfe rief:
"Ich brauch schnell einen Sack voll Cent',
nur diese Münzen man hier kennt."
Die Söhne gingen wie befohlen,
um einen Beutel Cents zu holen,
und stellten ihn sogleich bereit.
Sie ahnten schon die Dringlichkeit.
Endlich, dacht der, es ist soweit,
ich spür sie schon, die Seligkeit.
Ganz schnell und ohne zu verweilen
sah man ihn jetzt zur Kasse eilen,
denn Durst und Hunger können quälen.
Nur noch die Cents fürs Essen zählen
und schon winken des Himmels Wonnen -
wär' da der Engel nicht gekommen.
Der schaute streng und sagte schlicht:
"Dein Geld nützt dir hier oben nichts.
Ein Leben lang hast du gerafft,
doch leider auch umsonst geschafft.
Hier zahlt mit Cents man aus dem Leben,
die für die Not man hat gegeben."
"Nicht was du hast für dich behalten, nein,
nur was du gabst bleibt dir erhalten.
Nur was von Herzen du gespendet
wird hier als Guthaben verwendet.
Ein Egoist erhält stattdessen
von dieser Tafel nichts zu essen."
Dieses Gedicht habe ich nach ähnlichen
Gedanken von Tolstoi gereimt aus:
"Buch für alle Tage"